ECM- und Collaboration-Tools im Fokus digitaler Workplaces
Das Enterprise Content Management entwickelt sich zunehmend zu einer Kerndisziplin für Digitalisierungs- und Transformationsprozesse in deutschen Unternehmen. Im ECM laufen nicht nur viele Informationen zentral zusammen, es wird auch Ausgangspunkt und Drehscheibe für darauf aufbauende Analytik- und Automatisierungsprozesse. Das Zusammenwachsen mit anderen Disziplinen, Daten-Welten, Collaboration-Tools und Workflow-Instrumenten macht ECM zu einem mächtigen Werkzeug für die Virtual Workforce. Welche Trends und Entwicklungen die neuen Herausforderungen hervorbrachten, hat das Hamburger Marktforschungs- und Beratungshaus SoftSelect GmbH untersucht.
Work from anywhere
2020 und 2021 waren geprägt von vielen organisatorischen und unternehmenskulturellen Veränderungen. Der Shift zu hybriden Arbeitsplatzmodellen hat nicht nur eine vermehrt virtuelle Unternehmenskultur gefördert, sondern auch die Notwendigkeit der Digitalisierung von dokumentenbasierten Geschäftsprozessen verdeutlicht. Der im ersten Halbjahr 2021 erschienenen IDC Studie „Work Transformation in Deutschland 2021“ zufolge, in dessen Rahmen 250 deutsche Unternehmen mit mehr als 100 Mitarbeitern befragt wurden, wollen 29% auch in Zukunft remote arbeiten – dreimal so viele wie noch vor 2020. 79% der Unternehmen planen überdies ein neues Arbeitsplatzmodell zu etablieren, und 36% verfolgen eine Kombination aus Unternehmenspräsenz- und Remote-Tätigkeit. 11% planen gar, ihre Büroflächen gänzlich aufgeben und auf ein rein virtuelles Arbeitsplatzmodell umsteigen zu wollen. Eine zum Jahresende 2021 veröffentlichte Untersuchung des Branchenverbandes Bitkom unter mehr als 600 Unternehmen ab 20 Beschäftigten zeigt hingegen, dass der derzeitige Umfang der Home-Office Arbeit immer weniger den langfristigen Unternehmenszielen entspricht: Zwar wollen 27% der Unternehmen, die in der Pandemie auf Home-Office setzen, die getroffenen Maßnahmen auch nach der Pandemie beibehalten oder sogar ausweiten. Jedoch wollen 45% die Maßnahmen zumindest teilweise zurücknehmen und weitere 27% wollen künftig gar kein Home-Office mehr ermöglichen.
Während die Mitarbeiter eine einfach zugängliche, unkomplizierte Arbeitsumgebung unabhängig ihres Standortes benötigen, stehen für Unternehmen in erster Linie die Produktivität und Sicherheit, aber auch überschaubare Kosten und ein geringer Pflegeaufwand im Fokus. Vorkonfigurierte Cloud-Lösungen für das Dokumentenmanagement, Collaboration und File-Sharing liegen daher hoch im Kurs, da sie die heutigen Anforderungen ideal erfüllen. Nicht jeder Mitarbeiter soll jedoch Zugriff auf alle Dokumente und Ordner haben, so dass ein einfaches, aber flexibel handhabbares Berechtigungskonzept individuelle, aber auch rollen-basierte Zugriffe ermöglichen sollte.
Die sichere Versorgung mit digitalen Informationen, Anwendungen und Content Plattformen ist zu einem kritischen Faktor bei der Bereitstellung virtueller Arbeitsumgebungen geworden. Insbesondere ECM-Anbieter, die ihr Lösungsportfolio bereits strategisch auf Cloud-Plattformen hin ausgerichtet haben, konnten in den letzten beiden Jahren Marktanteile gutmachen. Die Sicherheitslücken zu schließen – wohlgemerkt zu überschaubaren Investitionskosten in dieser wirtschaftlich nach wie vor angespannten Lage mit schwer planbaren Zukunftsaussichten – hat viele Unternehmen mit digitalem Nachholbedarf veranlasst, auf die skalierbaren Komplettangebote aus der Cloud zu wechseln, um die Arbeit in virtuellen Workplace-Umgebungen möglichst effizient zu gestalten – und nebenbei das digitale Fundament für die nächste Krise zu schaffen.
ECM als Drehscheibe von Cloud-Services
So halten immer mehr Anwendungen aus der Cloud in deutschen Unternehmen Einzug und bilden ein komplexes Hybrid-Ökosystem, das aus On-Premise- und Cloud-Anwendungen besteht. Multi-Clouds, bestehend etwa aus Daten-Clouds von Microsoft, Google, Adobe, IBM oder AWS, kennzeichnen heute bereits das Bild in vielen Unternehmen. Gleichzeitig nimmt das über Jahrzehnte vorherrschende klassische Gefüge, in dem ein führendes System den Mittelpunkt der IT-Strategie bildet, weiter ab. Stattdessen rücken die Integrationsfähigkeit und der elektronische Datenaustausch innerhalb der Anwendungslandschaft in den Fokus der Anwender- und Anbieterunternehmen. Die ECM-Plattform und ihre Schnittstellen genießt dabei einen besonders hohen Stellenwert, da die betrieblichen Prozesse in besonderem Maße mit der Dokumentenverarbeitung verknüpft sind. Durch die Offenheit Cloud-basierter ECM-Lösungen sind Unternehmen in der Lage, Content-Plattformen besser in systemübergreifende Geschäftsprozesse einzubinden und dokumenten-basierte Abläufe zu automatisieren – und zwar ohne die Sicherheit des Netzwerkes zu gefährden. Nutznießer sind sämtliche prozessbeteiligten Mitarbeiter, die sich nun nicht mehr mit Insellösungen und Workarounds behelfen müssen, um auf bestimmte Dokumente von Drittanwendungen zuzugreifen und Abläufe anzustoßen.
Dokumenten-basierte Prozesse digitalisieren und automatisieren
Mit neuen Strategien, Technologien und Tools sollen Mitarbeiter befähigt werden, künftig von überall produktiv zu arbeiten. Papier-basierte Prozesse sind – je nach Geschäftsmodell – im Büroalltag unserer stetig wachsenden Kollaborationsnetzwerke bis auf weiteres wohl nicht vollständig ersetzbar, doch zumindest in weiten Teilen zu digitalisieren, um relevante Dokumente prozessbeteiligten Mitarbeitern standortunabhängig verfügbar zu machen. Und auch aus einem anderen Grund genießt die Digitalisierung papier-basierter Prozesse allerorten eine hohe Priorität: Denn sie ist eine wichtige Voraussetzung, um dokumenten-basierte Geschäftsabläufe automatisieren zu können – und gerade in mittelständischen Unternehmen birgt die Digitalisierung und Automatisierung wiederkehrender Prozesse in der Verwaltung noch viel Optimierungspotenzial. Die Transformation hin zu einem papierarmen Büro ist daher eine zentrale Anforderung, der sich Unternehmen im Kontext von „Work from anywhere“ stellen müssen.
„Wenngleich der Arbeiten-von-überall Ansatz sowohl für die Organisation als auch die Mitarbeiter eine hohe Flexibilität bei der Gestaltung der Arbeitsumgebung bedeutet, eignet er sich nicht für jedes Unternehmen, sondern ist immer im Zusammenhang mit dem spezifischen Geschäftsmodell, den strategischen Unternehmenszielen, dem Leadership-Modell und der gewünschten Unternehmenskultur zu beurteilen. Vielmehr kann es eine ideale Ergänzung bestehender Arbeitsplatzmodelle sein, um die Attraktivität des Employer Brandings zu steigern, Mitarbeitern zusätzliche Autonomie zu gewähren und gleichzeitig Kosten für die Bereitstellung von Arbeitsräumen und Ressourcen zu reduzieren“, erläutert SoftSelect Geschäftsführer Michael Gottwald. „Mit der Bereitstellung von ECM-, File-Sharing und Collaboration-Lösungen für Remote-Anwender ist der Sorgfaltspflicht des Arbeitgebers jedoch häufig noch nicht genüge getan. Denn ein Work-from-anywhere Konzept berührt auch rechtliche und organisatorische Fragestellungen, die bei der Gestaltung nachhaltiger Arbeitsplatzmodelle berücksichtigt werden müssen. Das bestehende Arbeitszeitgesetz greift mit seinen Regelungen zur Höchstarbeitszeit, Ruhezeiten sowie dem Verbot von Sonn- und Feiertagsarbeit auch bei Home-Office- bzw. Remote-Arbeit und zieht bei Verstößen empfindliche Bußgelder nach sich. Zudem muss der Arbeitgeber sicherstellen, welche Arbeitsschutzmaßnahmen für die jeweiligen Tätigkeiten erforderlich sind. Dies schließt im Rahmen der Betriebssicherheitsverordnung und arbeitsmedizinischen Vorsorge auch eine Unterweisung der Mitarbeitenden in die Ausstattung der Betriebsmittel an Remote-Arbeitsplätzen ein. Neben den erhöhten Anforderungen an die Daten- und Netzwerksicherheit sind auch der Unfallversicherungsschutz und die Mitbestimmung von Betriebsräten bei der Ausgestaltung mobiler Arbeit zu regeln. All dies sind Faktoren, die gerade bei mittelständischen Unternehmen häufig nicht ausreichend in diese Überlegungen einfließen. Und viele Betriebe sind auch heute noch damit beschäftigt, organisatorische und rechtliche Lücken bei der Vernetzung von Arbeitsumgebungen zu schließen.“
Digital Workplace erfordert Konsolidierung von digitalen Services
Die Bereitstellung von Digital Workplaces ist also eine Aufgabe, die verschiedene Organisations-Ebenen berührt. Die Suche nach der richtigen Digital-Workplace-Strategie ist daher komplex, die ein Zusammenwirken verschiedener Fachbereiche wie Geschäftsführung, IT, HR, Change- und Projektmanagement und Rechtsabteilung erfordert. Damit ein nahtloser Wechsel zwischen den jeweiligen Arbeitsumgebungen gelingt, bedarf es eines zentralen, sicheren und standort-übergreifenden Zugangs zu Informationen, Dokumenten und Applikationen. Durchgängig verfügbare Kommunikationsplattformen sollten einen effizienten Wissensaustausch zwischen prozessbeteiligten Mitarbeitern und auch externen Kollaborationspartnern sicherstellen. Nicht zuletzt sollten individualisierbare Workflows dafür sorgen, dass interne Abläufe verbessert, aber auch plattformübergreifende Dateninseln konsolidiert und automatisiert werden, um digitale Services unterschiedlicher Cloud-Welten möglichst zielgerichtet nutzen zu können. Die voranschreitenden Entwicklungen von Automatisierungstechnologien wie künstliche Intelligenz (KI) und maschinelles Lernen (ML) werden künftig Automatisierungsprozesse weiter erleichtern und den Einsatz in individuellen Business-Kontexten verbessern. Vor allem die intelligente, automatisierte Dokumentenanalyse hat, etwa im Zusammenhang mit der Rechnungseingangs- und Auftragsbearbeitung, bereits einen sehr hohen Reifegrad erreicht. Aber auch bei der Sprachsteuerung über Chatbots, Echtzeit-Übersetzungsdiensten bis hin zur intelligenten Interpretation von Dokumenteninhalten kommen die Instrumente heute vielfach zum Einsatz. Und auch hier kommt der Digitalisierung dokumenten-basierter Abläufe eine hohe Bedeutung zu, denn viele Papierdokumente werden in unterschiedlichen Workflows genutzt, für Entscheidungen herangezogen und weiterverarbeitet. Immer mehr Unternehmen investieren daher neben Hardware-Devices wie Multifunktionsgeräten, Mobilgeräten und UCC-Technologien vor allem in Compliance-, eSignatur- und Workflow-Lösungen, wie SoftSelect aus dem Beratungsgeschäft zu berichten weiß.
Sicherheitsrisiken vorbeugen
Mit der zunehmenden Digitalisierung und Vernetzung von Arbeitsumgebungen wächst jedoch auch das Risiko von Angriffen durch Cyberkriminelle. Insbesondere Ransomware bzw. Verschlüsselungsmalware werden immer mehr zur realen Gefahr, indem von organisierten Gruppen Schwachstellen gezielt aufgedeckt, Malware über E-Mail Anhänge eingeschleust und Dateien auf lokalen Festplatten und Netzlaufwerken verschlüsselt werden. Neben der Prävention durch Awareness-Kampagnen für Mitarbeiter liefern aber auch immer mehr ECM-Anbieter Schutzmechanismen vor Ransomware-Angriffen. Zusätzliche Sicherheit bieten zudem Gateway-Zugriffe, IAM-Lösungen (Identity- and Access Management), Multifaktor-Authentifizierung, der Einsatz von mehrstufigen Passwort-Managern und Endpoint-Security-Lösungen.
Auch die Einhaltung von Compliance-Vorgaben stellt für viele Unternehmen im operativen Handling eine besondere Herausforderung dar. So werden etwa Freigabeprozesse in Messengern abgewickelt, vorgangsrelevante Dokumente in externen Cloud-Speichern ausgetauscht, Belege bis zu einer vermeintlichen Wiedervorlage in Outlook aufbewahrt oder Dateien auf Mobilgeräten gespeichert. Um dieser Schatten-IT zu begegnen und einheitlichen Compliance-Richtlinien nachzukommen ist es erforderlich, das ECM-System möglichst in das bestehende Setup an Collaboration-Tools einzubinden, um für die kollaborativen Arbeitsprozesse einen nachhaltigen Mehrwert innerhalb der eigenen Compliance-Grenzen zu erzielen und gleichzeitig eine betriebliche Kontrolle zu gewährleisten. Insbesondere die Aufbewahrung und Löschung von Daten ist in vielen Unternehmen bis heute nicht klar geregelt, wird nicht konsequent umgesetzt oder unterliegt dem Ermessensspielraum einzelner Mitarbeiter. Die nahtlose Integration von ECM-Systemen in die bestehenden Operativ-Systeme ist daher nicht nur aus Usability-Sicht erforderlich, sondern auch, um Zugriffs- und Berechtigungsregeln zu managen, Indexierungen vorzunehmen, Workflows zu steuern, Objekte zu signieren oder zu verschlüsseln und Aufbewahrungs- bzw. Löschregeln zu verwalten.